Eberhard Arnold

Der Prophetismus

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - P.M.S.]

EA 26/4

Die Wegwarte, December 1926

Der Prophetismus

Von der prophetisch-urchristlichen Spannung und ihrer göttlichen Lösung empfinden wir heutigen Menschen trotz der Not unserer Jahre kaum etwas wie eine ferne Ahnung. Wir haben die Fühlung mit dem prophetischen Geist verloren, ohne den diese Spannung dem Bewußtsein entschwinden muß. Das innerste Wesen des Prophetismus ist uns zum Rätsel geworden. Wir kennen seinen Ursprung nicht mehr. Deshalb können wir von seiner Losung, seiner Aufgabe und ihrer praktischen Anwendung nichts mehr begreifen. Das prophetische Ziel der Erde verflüchtet uns zu einem utopischen Phantom, nach dem nur noch eine schwärmerische Stimmung kraftlos verlangen möchte. Aber jeden Augenblick kann der kraftvoll strahlende Reichtum der prophetischen Wirklichkeit in die Armut und Schande unserer gegenwärtigen Verhältnisse einbrechen. Gott selbst ist diese Wirklichkeit. Der Prophet lebt von Gott. Der reine Wille des lebendigen Gottes ist ihm das allein Unmittelbare und Wirkliche. Im prophetischen Willen ist jene eine wirkliche Zukunft lebendig, in welcher der Liebeswille Gottes auf der Erde Erscheinung werden wird. Um sich her und bei sich selbst sieht der Prophet in den jetztigen Zuständen den schreienden Gegensatz zu der Gottesgerechtigkeit jenes kommenden Gottesfriedens. Und doch ist sie ihm gewisseste Zukunftsklarheit und Gegenwartskraft. Der ungeheure, schmerzhafte Kontrast, den der Prophet zwischen Licht und Finsternis erschreckend empfindet, entflammt ihn zu rückhaltlosem Bekenntnis der letzten Wahrheit. Die Größe der Zukunft wird in ihm zur Geißelung der Gegenwart. Das Selbstsüchtige und Unlautere, das Unreine und Mörderische des jetzigen Lebens enthüllt sich seinem Blick in erschreckendster Häßlichkeit. Aber die als Hölle erkannte Wirklichkeit des jetzigen Menschtums dient dazu, in klarer lichter Weise die unmittelbar nahende, unmittelbar gegenwärtige Wirklichkeit Gottes herauszuheben. Als die wirkende Liebe, als ihre richtende und rettende Gerechtigkeit, als jetzt und hier erwirkter Friede, als wahre Freude für alle, durchhellt und überleuchtet sie das Unheil der Jetztzeit.

Daß das ethische Befehlen und moralisches Verbieten, daß das Gesetz und sein Gehorsam diese allein in dem alles wirkenden Gott bestehende Einheit nicht herbeiführen kann, ist dem Propheten ebenso klar wie die Nichtigkeit des Kultus und aller religiösen Bemühung als eines menschlichen und deshalb durchaus vergeblichen Versuches, zur Gottesliebe hinaufzuklimmen. Alle Forderung und Verkündigung der Prophetie hat immer Freiheit, hat stets Zusicherung des befreienden Geistes bedeutet, eine Zusicherung, bei der es auf Gott und sein freies Geschenk ankommt. Wir haben keine andere Lösung zu erwarten, als die durch den frei geschenkten, von allem befreienden Geist, der von Gott kommt und Gott selbst ist.

Aber Gottes Geist ist ein schöpferischer Geist. Wenn es um Gott geht, geht es um seine Schöpfung. Sein Wille richtet sich auf die Menschen. Wer an ihm frevelt, versündigt sich an den Menschen, am Leben und an der Gemeinschaft. Alle menschlichen Verbrechen sind soziale Verbrechen. Deshalb greift der göttliche Geist das soziale Leben an. Der Kraft-Geist der Propheten enthüllt das wirtschaftliche Unrecht. Er weckt das Gewissen für die Einsicht in die Wirklichkeit, wie schmachvoll der hart arbeitende Mensch seiner Lebens-

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rechte beraubt wird. Der Arbeiter ist es, von dessen Arbeitswerten, die durch seine Arbeit hervorgebracht werden, unsere unverdienten Vorrechte gespeist werden. Hier setzt der prophetische Geist die Spitze seines scharfen Schwertes ein: Jener Klassen-Hochmut und Kastengeist, der uns so tief entmenscht und entgeistet hat, daß wir diese Gott empörende Ungerechtigkeit zu übersehen vermögen, wird in seiner verlogenen Hohlheit offenbar. Die Wertung der Dinge und Menschen nach Geld und Geldwert wird in ihrer ganzen Unsittlichkeit und Verderbtheit enthüllt. Wir alle werden für den inneren Zustand und für die äußere Lage aller derer verantwortlich gemacht, die keine Liebe der Gesellschaft erfahren, denen kaum eine Menschenwürde, kaum irgendeine Lebensfreude erreichbar ist.

Ohne den Prophetismus empört sich unser Gewissen nicht mehr, wenn Arbeitskraft als Ware behandelt, auf Tage und Stunden gekauft und verkauft wird, wenn lebendige Menschen wie tote Sachen gewertet werden. Zur Gerechtigkeit aufgerufen, erdreisten wir uns, von Hetzworten zu reden. Wenn volle Löhnung der Arbeit, wenn die Ermöglichung von Menschenwürde und Menschenfreude für jeden Arbeitenden gefordert wird, wagen wir von aufgeputschter Unzufriedenheit zu sprechen. Weil wir den Prophetismus nicht mehr kennen, haben wir das göttliche Empfinden für die Größe des Ereignisses verloren, wenn sich aus der materialistischen Welt der Wirtschaft die Gewissensforderung der Liebe und des Gemeingeistes erhebt.

Wir können es noch immer nicht fassen, daß der sozialistische Angriff auf die heutige Gesellschaftsordnung ebenso wie der pazifistische Angriff auf das Völkerrecht ein Ruf Gottes sein könnte. Wir vernehmen den Bußruf nicht, der uns zum Umdenken und Umleben führen will, daß wir jene erniedrigten Menschen bis zur Solidarität, bis zur letzten Einheit lieben und achten, wie diese Menschen in Wahrheit der Gegenstand des liebenden Interesses Gottes sind. Sie bleiben uns unendlich fern und gleichgültig, weil sie in anderen Verhältnissen leben, oder weil sie gar als Todfeinde unserer Lebenshaltung erscheinen. Im tiefsten richtet sich ihr Ansturm gegen das Böse in unserem Leben, gegen die Abstumpfung und Entartung unserer Menschenliebe, gegen unseren liebeleeren Besitzwillen, gegen den Sklavengeist und den Herrschaftshochmut. Ihr Ansturm gegen das Böse ist von Gott geschenkt. Denn ohne ihn schlägt keinem Menschen ein Gewissen, auch nicht gegen das Unrecht der anderen. Der sozialistische Gewissens-Ansturm zeigt es uns: Unsere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände können nicht ohne rücksichtslosen Besitzwillen, nicht ohne kalte Geldliebe, nicht ohne Habsucht und Geiz, nicht ohne Übervorteilung anderer, nicht ohne Trug und Lüge sein. Deshalb muß der prophetische Geist zum Bruch mit allen diesen Dingen aufrufen.

Revolutionsbewegung ist Gewissensbewegung. Ob es die französische Revolution an der Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts war, oder ob es die heutige sozialistische und kommunistische Revolution ist - oder ob wir an eine tiefere zukünftige Umwälzung glauben -: nur im Gewissensprotest gegen handgreifliche Mißstände himmelschreiender Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit kann sie entstehen. Kommt jedoch zu solchen Zeiten der Prophetismus des Geistes nicht zum Durchbruch, so muß sich jene erschreckend dämonische Revolution von unten her als Gericht

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über beide Teile auswirken, wie sie auch in der Reformationszeit in den Bauernkriegen und Täuferunruhen notwendig wurde.

Die jetzige Atempause in der heutigen Weltkrisis will uns dahin bringen, daß wir das prophetische Geisteszeugnis vom Äußersten bis zum Innersten ernst nehmen, ehe es zu spät ist. Wenn heute die alten Propheten Israels wieder lebendig würden, so wäre es dieselbe soziale Bußpredigt, die sie uns wie ihren Zeitgenossen vorzuhalten hätten. Amos würde es immer von neuem wiederholen, daß niemand redlich handeln kann, der in seinem Hause zum Schaden anderer gewaltsam angehäuftes Gut ansammelt (3,9-10). Er würde wie zu seiner Zeit auch die heutigen Richter und Gerichte zur Verantwortung ziehen, so oft sie den Elenden und Niedrigen unterdrücken und zertreten, indem sie dem Besitz gegen die Besitzlosen sein Recht geben (2,7). Er müßte auch heute die Vergewaltigung der Notleidenden geißeln, wie sie sich bei jedem Luxus auf Kosten der Bedürftigen auswirkt, wie sie in jeder kostbaren Wohnungsausstattung, in jedem reichen Essen und Trinken verborgen ist. Heute wie damals würde er die wohlhabenden Frauen dafür verantwortlich machen, daß ihr reiches und bequemes Leben nur durch Bedrückung der Bedürftigen ermöglicht werden konnte. Uns heutigen Menschen müßte Habakuk mit weit stärkerem Recht als seine Zeitgenossen schamlos nennen, daß wir Kleider tragen und Möbel benutzen, in deren Besitz wir durch Pfändung armer Leute gekommen sind (Mich. 2,8; Habakuk 2,6). Hat doch heute der Gerichtsvollzieher mehr Forderungen als jemals einzutreiben! "Ist's nicht Eure Sache, das heilige Recht zu kennen? Ihr aber laßt das Gute hinter euch. Ihr zieht das Böse vor! Ihr reißt den Leuten die Haut vom Leibe und das Fleisch von den Knochen. Ihr nährt euch vom Fleisch meines Volkes; ihr zieht ihm die Haut vom Leibe und zerbrechet ihm die Knochen. Ihr zerlegt ihn wie einen Braten im Topf, wie das Fleisch im Kessel. Gott wird sich vor euch verbergen, weil ihr schlechte Taten verübt habt."

Und wenn wir alle dem Propheten voller Entrüstung erwidern würden, daß wir niemals jemandem etwas zu Leide getan haben, so wird er uns auf unsre Güter, Wohnungen und Häuser und auf die Landnot und Wohnungsnot der Armen verweisen. - Er wird es heute wie vor Jahrhunderten als frevlerische Pläne verurteilen, wenn man darüber nachgedacht hat, wie man neue Felder an sich reißen und neue Häuser in Besitz nehmen oder ein anderes entsprechendes Vermögen erwerben könnte (2,1-2). Und Jesaias würde auch heute den Jammer beleuchten, der täglich durch Bodenspekulation, Grundstückwucher und Wohnungsmiete, durch den Häuser- und Güter-Zins unserer Tage verursacht wird: "Wehe denen, die Haus an Haus reihen, Feld an Feld rücken, bis für die anderen kein Platz mehr bleibt, bis es dahin gebracht wird, daß wenige allein Land und Häuser besitzen!" (5,7.) Allen Wohlhabenden wird er es im Namen Gottes ins Gesicht sagen: "Eure Hände sind voll Blut, denn in euren Häusern sind Dinge, die den Elenden geraubt sind. Schafft mir eure bösen Taten aus den Augen!"

Die Stimme Jeremias' würde in diesem prophetischen Chor die auffallendste der modernen Sünden brandmarken: "Wehe dem, der sein Haus mit Ungerechtigkeit baut und seine Wohnung mit Unrecht einrichtet, - der seinen Nächsten ohne den rechten Entgelt arbeiten läßt und ihm seinen Lohn vorenthält" (5,26-28.) Und Hesekiel würde Gottes Wort gegen das Wesen

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unserer heutigen Geldwirtschaft richten: "Wucher und Zins hast du genommen, den Nächsten hast du übervorteilt und mich hast du vergessen!"

Alle diese so ganz menschlichen, so rein sozialen Mahnungen würden von allen Propheten zu der letzten religiösen Frage zugespitzt werden, warum wir den lebendigen Gott vergessen haben, dessen Wesen nichts als Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sein kann. Und wenn wir demgegenüber auf Gottesdienste und Gebete verweisen wollten, würde uns Gott sein hartes Wort bei Amos entgegenschleudern: "Hinweg mit dem Geplärr der Lieder! Das Rauschen der Orgeln mag ich nicht hören! Es soll vielmehr das Recht sprudeln wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nimmer versiegender Bach." (Amos 5,24.) Die Propheten Gottes würden ein Leben mit Gott nur dort sehen, wo Recht und Gerechtigkeit geübt wird, wo man niemanden durch Geldforderungen oder karge Lohnsätze bedrückt, wo man für seine Schuldforderung keine Verpfändung vornimmt, wo keine Erpressung geübt wird, wo man sein Brot dem Hungrigen gibt, wo man mit seinen Kleidern den Frierenden kleidet, wo man nicht auf Wucher ausleiht, wo man für sein Geld keinen Zins nimmt, wo man also sein Besitzrecht an die Liebe weggegeben hat. (Hesekiel 18,5-9.)

Alle Propheten würden mit Jesaias nur jene letzte soziale Hingebung als die von Gott gewollte Lebensführung bezeugen, in der man wirtschaftliche Knebelung beseitigt, die Sklaven-Gespanne von den Wagen der Besitzenden loslöst, die Erniedrigten in das freie Leben führt, in der man umherirrende Arme in sein Haus führt, schlecht Angezogene neu einkleidet, - in der man sich dem Leid seiner Mitmenschen so wenig wie seiner eigenen Not entzieht. (Jes.58,6-8.)

Der Prophet weiß, daß diese Befreiung im Kommen ist. Nicht im Pessimismus klingt der prophetische Bußruf aus, sondern vielmehr in der unbedingten Zuversicht, daß diese Gotteserkenntnis, diese Befreiung von der Ungerechtigkeit tief fassen und weit greifen muß! Jeremias hat es ausgesprochen: "Ich werde sie reinigen von ihrer Ungerechtigkeit." (33,8.) Und Jesaias stimmt in diesen Jubelruf ein: "Gewalttätige wird es nicht mehr geben." (29,20.)

"Man soll keinen Frevel hören in deinem Land, noch Schaden oder Verderben in deinen Grenzen." (60.) "Einen Frevler wird man nicht mehr edel nennen und einen Schurken nicht mehr als vornehm bezeichnen." (Jesaias 32,5.)

Es ist so einfach, wenn der Prophet Hosea die Urforderung dieser Lebenserneuerung auf den kurzen Ausdruck bringt: "Halte auf Liebe und Recht und warte beständig auf Gott!" (12,7.) Aber eine solche Haltung ist nur möglich, wenn in uns ein anderes Herz als bis heute schlägt, ein neuer Geist in uns wohnt, wie es Hesekiel für diese letzte Zeit verspricht (11,19.) Wenn alle Länder von der Herrlichkeit Gottes erfüllt sein sollen, so muß der Geist dieses dreimal Heiligen die Menschen erfüllen und durchdringen, die diese Länder bewohnen. Nur wenn sein übermächtiger Geist einen bisher durchaus unbekannten Einfluß auf die Menschen gewinnt, kann jene sittliche und soziale Umgestaltung erwartet werden, die die Propheten verkünden. Gott will seinen Geist als einen gänzlich neuen in uns hinein geben: "Über alles Fleisch will ich meinen Geist ausgießen; auch über Sklaven und Sklavinnen will ich in jenen Tagen meinen Geist ausströmen lassen." (Joel 3,1,2). Alle

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Propheten sind sich darin eins: "Nicht durch Macht oder Gewalt, sondern allein durch meinen Geist soll es geschehen." (Sach. 4,6.) "Darin soll der Bund bestehen, den ich nach dieser Zeit schließen will; ich lege mein Gesetz in ihr Inneres und schreibe es in ihr Herz. - Sie werden mich alle erkennen vom Kleinsten bis zum Größten; denn ich will ihnen ihre Verschuldungen wegnehmen und ihrer Sünden nicht mehr gedenken." (Jes.31,33,34.) Es gibt eine Diktatur des heiligen Geistes, die in jedem, der sich ihr ergibt, das beste und eigentliche Selbst, die höchste Bestimmung des erneuerten Ich erweckt und lebendig macht. Es gibt Führer im Reiche des Geistes, die uns zu dem wahrhaft autonomen, innerlichst selbstständigen Leben bringen, in dem wir von aller Knechtung und Versklavung der Seele frei werden. Die Christokratie, die Königsherrschaft des Messias Jesu ist die einzige Autokratie unter den Menschen, die dies vermag. Der Sohn der Maria ist die einzige Persönlichkeit, in welcher der göttliche Geist der Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe ungebrochen Gestaltung findet.

Deshalb reden die Propheten zugleich von der sozialen Theokratie und von der sozialen Christokratie ihres Zukunftsreiches. Der Gott der Gestirne und ihrer Heerscharen wird nach ihrer Botschaft seine Königsherrschaft auf der Erde antreten (Jes. 24,23). Dieser Gott hat seinen Geist in besonderer Weise auf Einen gelegt, der den Völkern Recht verkünden und niemals ermatten wird, bis er auf der Erde Gerechtigkeit gegründet hat (Jes.42,1-4). Der Geist Gottes wird als Geist des Verstandes und der Kraft in einzigartiger Fülle auf ihm sein, daß er über die Geringen und Elenden mit Gerechtigkeit urteilen und die Gewalttätigen mit seinem Wort schlagen kann (Jes.11,1-9). Sein Name muß heißen: "Gott ist unsere Gerechtigkeit"; weil dieser König wie Gott von Gott aus im Lande Recht und Gerechtigkeit üben wird (Jerem.23,5). "Er wird zwischen den Nationen richten und vielen Völkern Recht sprechen, und sie werden ihre Schwerter zu Karsten umschmieden und ihre Spieße zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und niemand mehr wird sich zum Kriege üben" (Jes.2,2-4). Dieser König, der ebenso kraftvoll und siegreich wie gerecht und demütig sein wird, rottet die Streitwagen, die Kriegspferde und Kriegsmaschinen gänzlich aus. "Seine Herrschaft wird von Meer zu Meer reichen und bis an die Enden der Erde" (Micha 9,9,10). "Denn das ganze Land wird von der Erkenntnis Gottes voll sein wie von Wassern, die das Meer bedecken" (Jes.11,9).

Diese gewaltigen Tatsachen der Zukunft sind es, von denen die Botschaft der Weihenacht erfüllt ist. Auf diese irdische Realität verweisen die Boten des Himmels mit ihrem Triumph-Gesang: "Der Preis gehört Gott in den Höhen des Himmels, auf die Erde kommt der Friede unter die Menschen, an denen Gott Freude hat, die guten Willens sind." Im Blick auf diese prophetische Gewißheit frohlockt Maria: "Mit seinem Arm vollbringt er gewaltige Taten, er macht alle zunichte, die in ihren Herzen auf eigene Größe sinnen. Mächtige stößt er vom Thron und Niedrige hebt er empor. Hungrige füllt er mit Reichtümern und Reiche entleert er ihrer Schätze". Diese Zukunft hält der prophetisch erfüllte Simeon in seinen Armen: "Meine Augen haben dein rettendes Heil gesehen. Du hast es für alle Völker gesandt."

(Fortsetzung folgt.)

Der Prophetismus. (Fortsetzung.)

Die Bibel kennen wir, jedoch ohne die Propheten der Juden und Israeliten als Männer zu erkennen, die die Soziale Umwälzung aller Dinge, die Eroberung des Landes für Gott, die Gewinnung der Erde für das Reich der Gerechtigkeit, für die Gottes-Gemeinschaft aller Menschen gekündet haben. Daß die Propheten des Alten Testamentes die Männer der Menschheitsgeschichte gewesen sind, die aufs gewisseste und festeste für diese Erde, für unsere Menschheit auf dieser Erde eine völlige Umwälzung aller Dinge prophezeit haben, ist wenigen klar geworden. Im Religionsunterricht ist es nur zu oft als Abart, als höchst bedauerlicher Abweg jüdischen Aberglaubens bezeichnet worden, daß das Reich Gottes auf das Volksleben und die Völker, auf die Erde und die irdischen Dinge bezogen wurde, - als wenn der von allen Abirrungen gereinigte Prophetismus auf ein rein geistiges Gerechtigkeitsreich gewiesen habe, als ob es eine rein geistige Gerechtigkeit ohne Anwendung auf die Dinge im Raum der Erde und auf die Zeiten ihrer Geschichte geben könne. Wenn die Gerechtigkeit wirklich Geist ist, muß sie sich an der Materie als Gerechtigkeit erweisen, sonst ist sie unwirkliche Gerechtigkeit, also keine Gerechtigkeit: sie ist Ungerechtigkeit geworden. Der Geist wird so als unwirksam zum Un-Geist gemacht: Die Überzeugung der jüdischen Propheten ging im scharfen Gegensatz zu dieser leeren Auffassung dahin, daß der Geist über diese Erde ausgegossen wird, daß Söhne und Töchter der Erde im Geist sprechen und arbeiten werden, daß alle Schichten der Erdbewohner, von diesem Geist ergriffen, die praktisch wirkende Liebe, die auf alle angewandte Gerechtigkeit künden und leben werden.

Wenn in diesem Geist alle Menschen der Erde eine Einheit von Brüdern sein werden, wird die Bebauung des Ackers und des Gartens, die Fruchtbarkeit der Erde in nie geahnter Fülle eine neue Kultur auch für die umgestaltete Stadt erschließen, eine Gottes-Kultur, die allen Menschen Frieden und Lebensgemeinschaft bringt. Das war der Glaube der Propheten für die Erde und ihre Menschheit. Aus dem allen geht aufs klarste hervor, daß die Propheten die Zukunft Gottes für diese Erde und ihre Länder und Völker erwarten. Wenn die Propheten von der Befreiung von allen Unreinigkeiten reden, verkünden sie zugleich das Aufhören aller Hungersnot, daß die Früchte der Bäume und die Erträgnisse der Felder in ungeahnter Weise gemehrt werden sollen. (Hesek.36,29,30.) Die Fruchtbarkeit soll so gesteigert, die Landwirtschaft so intensiv betrieben werden, daß der Pflüger den Schnitter einholt und der Traubenkelterer den Sämann. Die Berge werden von Most triefen und die Hügel von Wein überströmen.(Amos 9,13.) Gott wird sich dem Himmel hingeben und der Himmel der Erde, und diese schenken sich den Menschen. (Hosea, 2,23.) Der Friedensbund, den Gott mit den Menschen schließen wird, bedeutet, daß alle schädlichen Tiere und Lebewesen als lebendige Armeen der Todesmächte aus dem Lande beseitigt werden, daß überall gesunde Pflanzungen und Siedlungen erstehen können.(Hesek. 34, 25-27.) Eine neuartige Stadtkultur soll sich mit dieser Landkultur und Geistesbelebung der Menschheit verbinden: "An dem Tage, da ich euch von allen euren Verschuldungen reinige, werde ich die Stadt wieder

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bevölkern und die Trümmer wieder aufbauen lassen. Und das verödete Land wird bestellt werden. - Man wird sagen: Dies Land, das verödet war, ist wie ein Garten Eden geworden; und die Städte, die in Trümmern lagen, verödet und zerstört waren, sind wohl befestigt und bewohnt." (Hesekiel 36, 33-36.) Wenn das Geschick des Volkes Gottes gewandt werden soll, werden verödete Städte aufgebaut, Weinberge aufgepflanzt und Fruchtgärten angelegt werden. (Amos 9,13.) Bei dieser Gartenstadtkultur auf uralten Ruinen und verödeten Städtetrümmern (Jes. 61,4) wird den Stadtmenschen das Land-Leben wiedergeschenkt werden. Wenn der Geist, aus der Höhe als Geist des Lebens und als Geist der Liebe über die Menschen ausgegossen ist, werden die verlassenen Paläste und die verödeten Städte wieder belebt werden, daß die Steppe zum Fruchtgarten wird und der Fruchgarten wie ein Wald heranwächst, daß in der vorher unbewohnten Steppe geordnetes Recht wohnt, daß die Gerechtigkeit sich im Fruchtgarten niederläßt. Die Wirkung dieser Gerechtigkeit wird Friede sein. (Jes. 32, 14-17.)

Das Entscheidende in diesem Glauben der Propheten war die Klarheit, daß diese Umwälzung aller Dinge als schöpferische Neuordnung aller irdischen Verhältnisse nur von Gott kommen kann. Denn nur Er ist die Kraft der Schöpfung und der Neuschöpfung. Gerade so, wie jede neue Pflanzen-Epoche, jede neue Tier-Epoche und die ihnen folgende Menschen-Epoche auf diesem Planeten Erde durch eine Kraftwirkung der unendlichen, unübersehbaren Ursache hervorgebrochen ist, so wird jene neue schöpferische Einwirkung aus derselben uns unzugänglichen, unserem Forschen unergründlichen Quelle der Kraft hervorbrechend das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens herbeiführen. Wir können keine Schöpfung machen. Wir schaffen keine Neuschöpfung. Wir sind die Kraft nicht, die die Erde gestalten, reinigen oder erneuern, die die Menschen neu und gut machen könnte. Die Entwicklung der Dinge und der Menschen, wenn sie auf sich selbst gestellt werden könnte, kann kein neues Reich des Friedens und der Gerechtigkeit herbeiführen. Dazu gehört eine andere Kraft, eben dieselbe eine Kraft, die aus dem Urnebel die Fixsterne und die Planeten erstehen ließ: Dieselbe Kraft, die aus einem glühenden Planeten-Körper die Erdkruste bildete, die auf dieser das Wasser oben von den Wassern der Tiefe sonderte: Dieselbe Kraft, die in diesem Wasser, auf dieser Erde die ersten, einfachsten Lebenwesen erstehen ließ: Dieselbe Kraft, die die Tiere und die Menschen ruft, daß sie sind: Eben dieselbe Kraft führt die neue Zeit der Gerechtigkeit und des Friedens herauf.

Die prophetische Nachricht von dem kommenden Gott, von dem kommenden Eingreifen seiner Kraft, die Kunde von dem Frieden, den er bringen wird, von der Gerechtigkeit, die er gibt, enthält die Forderung des Neuwerdens der Menschen. Gott ist die Zukunft der Menschen, wie Er ihr Ursprung ist! In seiner Forderung und in seinem Versprechen kommt er uns nahe: Pflüget ein Neues! Brecht einen Neubruch! Hinweg mit dem alten, versteinerten Herzen! Ein Herz von Fleisch und Blut mit seelisch erfülltem Leben und Gefühl müßt ihr haben! Der Geist muß über euch kommen, wie der Regen über die ausgetrocknete, sonnendurchglühte, in Härte zerklüftete Wüste kommt! Der Geist, der Gott selbst ist, muß die Totengebeine der wesentlich und wirklich erstorbenen Menschheit beleben! Der Geist muß in

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hineinfahren; sonst bleiben sie tot. Umkehren muß die Menschheit. Was nützen alle ihre Religionsübungen, was nützen alle ihre Gottesdienste, welchen Sinn haben alle frommen Gesänge, wenn der Wille Gottes nicht getan wird, wenn die Hände voll Blut sind! Was bedeutet alle Rechtgläubigkeit, wenn an den Armen Ungerechtigkeit geübt wird, so alltäglich und selbstverständlich, wie man Wasser trinkt! Was bedeutet das Bekennen des Göttlichen, wenn sich bei dem Sterben unzähliger Kinder und Armer kein kleiner Finger rührt?

"Ändert euch ganz! Wendet euch um! Werdet andere Menschen! Werdet Menschen! Glaubt Gott! Gebt Gott euer Leben!" Das ist die Botschaft der Propheten. Dieser Ruf hat seinen letzten und einzigen Sinn in der Kunde von Gott. Er bricht in unsere Welt hinein, wie ein Blitz in die Nacht. Er verändert die Erde und gestaltet ihre Menschheit um. Gott ist der alleinige Sinn aller Umkehr. Seine Herrschaft über alles ist die umfassende Bedeutung aller inneren Verwandlung. Alle Propheten haben nur Ihn verkündet. Bei dem letzten Propheten dieser Art, der unter den Juden auftrat, gewann diese Nachricht ihre einfachste Größe. Johannes war Asket. Er verwarf die Kleidung der Kulturmenschen. Er verließ ihre Wohnungen und Städte. Er ging in die unbebaute Natur. Menschen brauchte er nicht zu suchen, die Menschen suchten ihn. Einer und zwei und zehn und zwanzig und hundert und immer größere Massen kamen zu ihm heraus. Dort draußen, wo es keine Tempel und Paläste, keine Häuser, keine Felder und keine Wälder gab, sagte er ihnen die Wahrheit. Es war die Wahrheit aller Propheten: "Ändert euch von Grund auf! Die Wendung aller Dinge ist nahe! Die neue Ordnung der Schöpfung naht! Was jetzt die Welt beherrscht, wird beseitigt. Etwas ganz anderes wird diese Welt bestimmen. Gott kommt. Die Herrschaft Gottes ist nahe herbeigekommen." - Der Kopf dieses letzten Propheten fiel, weil er mit seiner Wahrheit in das Familienleben des einflußreichsten Gewalthabers eingreifen wollte.

Mit ihm ging Jesus. Sie waren Freunde: Johannes und Jesus! Zwei harte Kämpfer der Wahrheit. Zuerst nahm Jesus die prophetische Nachricht des Johannes als die seine auf. Er sagte dasselbe, was Johannes gesagt hatte: "Tut Buße, das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen." Aber er konnte mehr aussprechen: "Glaubt an die Nachricht der Freude!" Johannes hatte auf Jesus gewiesen: Dieser hat das Geheimnis der Nachricht: Jetzt ist er da, auf den es ankommt. Was Jesus brachte, war die Botschaft und ihre Wirklichkeit, wer Gott ist, wie seine Zukunft ist, und wie der Weg ist, der der Zukunft Gottes entspricht.

Gott war die Nachricht: Gott als die lebendige, letzte Wirklichkeit! Jesus glaubte nicht an jenen Gott, der Unglück und Schlechtigkeit über die Menschen bringt, den Tod und seine Dämonen und Bazillen, das Verbrechen und seine Ungerechtigkeit; er bekennt vielmehr den Gott, der alle diese Dinge beseitigt. Er weiß es, daß in dieser Welt eine furchtbare Macht des Bösen herrscht; aber er weiß mehr, daß sie beseitigt wird, daß alles neu und anders wird: Der Sieg über die böse tödliche Macht in dieser Welt, das ist die Aufgabe seines Lebens und Sterbens. Daß der jetzige Gewalthaber dieser Erde, der bis heute der Geist dieser Erde ist, abgetan und hinausgeworfen wird, daß dieser starke Geist seiner gesamten Macht beraubt wird, daß sein

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Land von Gott besetzt wird, daß seine Leistungen und Werke zerstört werden, - daß das Satansreich der jetzigen Zustände nicht bestehen kann, das ist der Sinn der Sendung Jesus.

Diese Tatsache bedeutet, daß eine andere Macht über die Erde kommt, als alles, was heute auf ihr Geltung hat. Diese Nachricht verspricht, ihrem prophetischen Charakter entsprechend, die radikalste Neuordnung aller Dinge, so auch der politischen und sozialen, der kulturellen und agrarischen, der ethnographischen und geographischen Angelegenheiten. Die Umordnung aller Dinge ist der Inhalt der Worte Jesu. Sein Wille ist immer nur der eine: "Deine Herrschaft breche herein! Alles andere vergehe auf dieser Erde, daß niemand als Du auf dieser Erde Geltung hat. Wer Du bist, Gott - was die Erde bisher nur gelästert hat, - werde endlich das allein Geweihte! Dein Wille werde auf der Erde Geschichte, wie er es im Himmel ist!" Jesus bezeichnet diese Neuordnung als etwas, das aus dem Himmel kommt. In der himmlischen Welt herrscht sie schon jetzt als die Einheit des Alls, als Harmonie der Kreise, als gesetzmäßige Geistheit des Stoffes, als das Licht und das Leben, als Gerechtigkeit und Friede. Das alles soll auch auf dieser Erde herrschen! Daß der Himmel auf die Erde kommt, daß das Erdreich zum Himmelreich und das Himmelreich zum Erdreich werde, das ist das Ziel.

Alle Himmelreich-Gleichnisse weisen auf dieses eine Ziel hin. Denken wir nur an das eine Bild, wie ein Fürst über Land zieht und sein Gebiet seinen Mitarbeitern übergibt und jedem von ihnen ein bestimmtes Stück des Ganzen zur Verwaltung anvertraut. Nun ist es die Aufgabe, mit diesem anvertrauten Gut zu arbeiten, wie es den Forderungen seiner Rückkunft entspricht. Wenn er kommt, wird er alle zur Verantwortung ziehen, ob sie mit den anvertrauten Kräften die Arbeit geschafft haben, die seinem Willen entspricht. Wenn er wiederkommt, wird er in einer festlichen Tischgemeinschaft, wie zu einer Hochzeit als einem einzigartigen Synbol der Schöpfung, der Gemeinschaft und der Lebensfreude, alle die vereinen, die diese Erde in seinem Sinn zu verwalten und mit seinem Geist zu durchdringen entschlossen und fähig waren.

Sie sollen das Erdreich, sie sollen das Land besitzen. In der Bergrede, in jenem konzentrierten Wort von dem Charakter der Zukunftsmenschen Gottes, hat Jesus diesen innersten Sinn seiner Nachricht aufs tiefste offenbart. Er nennt dort alle die glücklich, die es merken, daß sie beschenkt werden müssen, alle die, die nichts als Gerechtigkeit wollen, die voll Liebe und Güte sind, alle die, die entschieden, ungeteilt und rein sind. Diese sendet er hinaus als Salz, das die entgültige Verwesung der Fäulnis aufhält, als Licht, das mitten in der Nacht der Finsternis leuchtet. "Wenn ihr nicht so gänzlich anders werdet, daß ihr wie neugeborene Kinder das Leben neu beginnt, könnt ihr in die kommende Neuordnung niemals hineinkommen."

Hier geht es schon jetztum die Überwinding der mörderisch-tötlichen Gewalten. Hier geht es darum, daß ihr niemals mehr tötet, niemals mehr dem Töten dient. Aber dieses Nichttöten bedeutet nicht nur, daß ihr unter keinen Umständen, auch in Krieg oder Revolution nicht, jemandem das Leben nehmt; sondern es bedeutet auch, daß ihr keinen Widerstand leistet, und keinen Rechtsstandpunkt einnehmt, gerade dann nicht, wenn die Menschen euch bedrängen und euch euer Gut und Leben rauben wollen. Und es be-

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deutet das Ganze eures Herzens, daß ihr niemanden verachtet und unter die Menschen herabdrückt, daß ihr gegen niemanden Zorn, Rache und Mißgunst kennt. Versöhnung und Gemeinschaft in alen Dingen ist der Charakter der Menschen der Zukunft.

Die Reinheit in der Treue der Ehe ist eine schon jetzt gegebene symbolische Darstellung dieser kommenden Liebe und Güte. Wenn noch der begehrliche Wille nach Eigentum und Einfluß in euch lüstern ist, wenn der begehrliche Wille nach körperlichem Geschlechts-Besitz auch nur als Gedanke, als Blick, als Handbewegung in euch aufflackert, so wäre es besser, das Auge auszureißen und die Hand abzuhacken, um frei von diesen Dingen leben zu können, als mit allen Gliedern verkommen zu müssen. In allen Dingen gilt es ganz und echt zu sein, wie Gott es will. Nur in schlichter Treue einfacher Zuverlässigkeit, im Stehen zum einmal gegebenen Wort, in der Liebe und Ehe, wie in allem anderen gegenseitigen Umgang kann der Charakter der Zukunftsmenschen bestehen. Eure Rede sei zuverlässig einfach: "ja", wenn es sich um "ja" handeln muß; ganz ohne Umschweife: "nein", wenn es um "nein" geht. Werdet schlicht in eurem Wesen, knapp in euren Worten! Wie im Wort, seid ebenso schlicht und hingegeben in der Tat!

Wenn ihr bis jetzt gemeint habt, daß man sich wehren könne, daß man in der Notwehr wieder schlagen solle, daß man sein gutes Recht beanspruchen kann, um zweifelsfreien Besitz Prozeß führen kann, so sage ich euch das Neue, das die prophetische Zukunft enthüllt: Wenn einer mit dir um einen Mantel prozessieren will, so gib ihm die Jacke dazu. Wenn du praktisch zu lieben beginnst, wirst du bald keine Gelegenheit haben, etwas für dich zu besitzen. Gebet allen, die euch um etwas bitten! Ganze und echte Liebe zu den Menschen wird die Liebe zum Besitz als unmöglich von euch abfallen lassen. - Diese Liebe kann nirgends, auch nicht bei denen Halt machen, die euch nahe stehen. Diese Liebe wird auch Liebe zu den Fernsten sein; sie wird zur Liebe zu den Feinden werden.

Denn es handelt sich um Gott. Es handelt sich darum, daß ihr so werdet, wie euer Vater im Himmel ist und wie seine Zukunft auf der Erde sein wird: Den Willen wollen, den Gott wil! So werden, wie Gott ist! Eins werden mit Gott! Darum geht es! Gott läßt seine Sonne über die Schlechten und über die Guten scheinen, über die, die ihn lästern, und über die, die ihn lieben. Und wie Gott in der Verborgenheit wirkt, so lebt auch ihr in eurer Kleinheit eure Einfachheit und eure Liebe als Unbekannte und Unzeitgemäße in der Stille aus. Wer seine guten Taten in der Öffentlichkeit verbreitet, gehört nicht zu den Menschen der Zukunft. Wer sein Verhältnis zu Gott vor die vielen bringt, wer seine Entbehrungen und Konzentrationen sehen lassen will, hat das Beste seines Lebens verloren. Und wer das Urgesetz der Wahrhaftigkeit, die Knappheit im Wort, die sachliche Klarheit, nur das zu sagen, was gesagt werden muß, nicht einmal Gott gegenüber üben kann, wird eher zu den Heuchlern der Jetztzeit, als zu den Menschen der Zukunft gerechnet werden. Einfachste Gestaltung in allem, so auch in der Enthaltung von überflüssigen Genüssen des Körpers, auch von denen des Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstriebes, der ungehemmte Wille, die Hingabe der Liebe für alle ganz und ungeteilt zu leben, ist der Charakter der Zukunft. Ohne sauertöpfische Gebärden, ohne das Kopf-hängen-lassen falscher Heiligkeit

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wird hier mit strahlendem, frohem und lebendigem Blick das Wesen der künftigen Liebe als gegenwärtige Freude verkündet.

Nur Ganzheit des Willens kann einen solchen Weg gehen. Wer noch mit halbem Herzen nach der Täuschung des Reichtums verlangt, kann diesen Weg nicht betreten. Auch alle jene Armen könnnen ihn nicht gehen, die noch in Sorge und Neid mit halbem Willen nach fremdem Besitz gieren. Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht dem kommenden Gott und dem jetzt herrschenden Mammon dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich um Existenz und Vermögen kämpfen. Ihr könnt nicht Gott dienen und in Sorge leben. Ihr könnt Gott nur erkennen und lieben, wenn eure ganze Sehnsucht, euer innerster Drang, euer ganzer Wille und alle eure praktische Arbeit auf das eine einzige gerichtet ist, auf das kommende Reich, auf die kommende Umwälzung aller Dinge, auf die Liebe der Gerechtigkeit für alle: Auf der Herrschaft Gottes in der Zukunft, auf Gott und seinen Willen. Trachtet nur darnach, daß Gott alles beherrscht. Sucht so zu sein, wie es unter seiner Herrschaft allein als gut gelten kann: Alles, was ihr dazu braucht, wird sich daraus ergeben.

Wer so von Gott getroffen und ergriffen ist, hat keine Handhabe mehr, Charakter und Lebenshaltung der anderen Menschen als schlechter einzuschätzen, als die eigenen Hindernisse des wirklichen Lebens.

Hier gibt es kein Richten mehr. Die schwere Gottwidrigkeit im eigenen Leben und der unlösbare Zusammenhang eigener persönlicher Schuld mit der öffentlichen Gesamtverschuldung schließen die unwahrhaftige Frivolität des Aburteilens anderer ebenso aus, wie die andere verwandte Frivolität des oberflächlich frommen Gehabens und Wortgepränges. Das heilige muss vor frivolem Zugriff ungeweihter Hände gehütet werden. Das Heilige darf nicht profaniert werden. Glaube und Liebe sollen nicht Geschwätz werden.

Ihr müßt erbeben, wenn es heißt, bei der Wahrheit anzuklopfen und Wahrheit zu leben. Durch eine bedenklich schmale Tür müßt ihr hindurch. Einen gefährlichen Grat müßt ihr beschreiten. Laßt alles draußen und unten. Schmal, eng, steil, steinig und abschüssig führt die Steigung an immer neuen Abgründen vorüber. Für die tägliche Praxis des heutigen Lebens ist von dieser unerreichbar scheinenden Ferne jene eine Grundforderung für jeden sichtbar: Alles, was ihr von den Menschen erwarten möchtet, das gebt ihr ihnen: Was ihr für euch selbst an Existenzmöglichkeiten erkämpft und erarbeitet, was ihr für euch selbst als notwendig erreichen wollt, was ihr für den Aufbau eures eigenen Lebens zu brauchen glaubt, das erwirkt allen Menschen! Was ihr für euch wollt, das tut für alle! Die jetzt noch herrschende Raubtiernatur zeigt sich als Natur der Tötung in der Begierde des Aneignens und Festhaltens, die nichts mit der Zukunft Gottes zu tun hat.

Nicht die sind die Menschen der Zukunft, die schön "Herr, Herr" sagen können, sondern vielmehr nur die in diesem Geist mit ganzem Willen Handelnden. Die Arbeitenden und Schaffenden sind es, die ihr tägliches Tun dem Willen der Liebe hingegeben haben. Auf das Tun des Willens Gottes, auf das Auswirken seiner Liebe in der Arbeit kommt es hinaus. Wer in der Berufsarbeit öffentlicher Verantwortung oder im kleinsten persönlichen Arbeitskreis an Ungerechtigkeiten, an sozialem Unrecht tätigen Anteil nimmt,

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wird von Jesus hinweggewiesen als einer, mit dem er niemals etwas zu tun gehabt hat.

Jesus schließt deshalb seine prophetische Charakteristik der Menschen Gottes mit dem Vergleich der Entscheidung: Entweder errichten wir den Bau unseres Lebens auf rutschender, gleitender Oberfläche, wie auf erbaulichen Gefühlen, frommen Gottesdiensten, tatenlosen Theorien oder in nichts verpflichtenden politischen und religiösen leeren Worten, wie sie der Jetztzeit entsprechen: ein solcher Lebensbau muß in erschreckenden Katastrophe enden, - oder aber wir bauen unser Leben auf das in der Tiefe festeste Fundament auf, auf Gott und die Tatkraft seines Willens, - etwa wie eine "Burg Stein" aus Felsen emporwächst. Dann mag kommen, was will. Die Stürme der Zeit mögen über uns hinweggehen; man mag uns alles nehmen, was wir vielleicht heute noch für lebensnotwendig halten. Feindschaft und Verkennung mag über uns kommen. Der Bau eines solchen Lebens wird nicht zerstört werden können, weil er der einzig sicheren Zukunft, der Zukunft Gottes entspricht. Dieser Bau ist nichts anderes, als das einfache Wollen und Tun dessen, was Gott will und ist. Nur die werden in die neue Ordnung, die von Gott kommt, aufgenomen werden können, die jetzt vertrauend den Willen des Vaters tun, die mit ganzem Willen und Tun dem Gott vertrauen, der aus den Himmeln kommt. Daß dieses Leben des Vertrauens, - wie für einen Baum - lebendiges Wachstum, - wie für das Salz - Wesenkraft des Seins, - wie für das sich opfernde Licht - leuchtende Wärme ist, daß dieses Geschenk also Wachstum als schöpferisches Sein und Werden ist, das ist das entscheidende Geheimnis der prophetischen Bergrede. Nur von dem lebendigen Baum kommt die Frucht. Wie der Baum ist, ist die Frucht! Wie die Frucht ist, ist der Baum. Dieses jetzt und hier wirkende Sein Gottes, wie es im Prophetismus und in Jesus offenbar wird, ist das Sein der Zukunft, in der Er über die Erde kommen wird.